„Unmenschlich und bürokratisch überzogen“

Rund 1000 Meter lang ist die Ortsdurchfahrt Welschneudorf der Landesstraße 327. Auf dieser Strecke gibt es einen Fußgängerüberweg (FGÜ) unmittelbar an der Einmündung der Arzbacher Straße, gleich vor dem Rathaus. Im direkten Umfeld des  FGÜ gibt es drei Einzelhandelsgeschäfte, außerdem zwei weitere Straßeneinmündungen sowie zwei Bushaltestellen. Schätzungsweise 90 Prozent der schulpflichtigen sowie der Vorschulkinder, schätzt Lambert Stahlhofen, der auch Ratsmitglied und Beigeordneter der Ortsgemeinde ist, müssen die innerörtliche Durchgangsstraße in diesem Bereich überqueren, um zum Kindergarten oder zur Schule zu gelangen. „Warum also“, fragt sich Stahlhofen, „sollte in diesem Abschnitt der L 327 nicht auch zusätzlich eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Stundenkilometer gelten?“ Stahlhofen verweist auf das Beispiel Niederelbert, wo mit der Begründung erschwerter Zufahrten von drei Ortsstraßen auf die L 327 ein Tempo-30-Bereich eingerichtet worden sei.

Der Ortsgemeinderat hat sich schon mehrfach mit diesem Thema beschäftigt, zuletzt im Jahr 2015. Damals wies Ortsbürgermeister Bernd Labonte im amtlichen Teil des Wochenblatts der Verbandsgemeinde (VG) Montabaur auf Geschwindigkeitsmessungen an der Landesstraße hin, die demnach ergaben, dass „auch in einer Zeit größerer Verkehrsdichte (zwischen 16.30 und 18.30 Uhr) … mehr als 95 % aller Fahrzeuge an den Messpunkten sehr angepasst fahren und keine 50 km/h erreichen“.

Wie Labonte weiter berichtete, ergab eine von der Ortsgemeinde beantragte verkehrsrechtliche Überprüfung, dass laut Straßenverkehrsordnung (StVO) auch Geschwindigkeitsbeschränkungen nur dort angeordnet werden können, „wo dies aufgrund besonderer Umstände zwingend geboten ist“. Es müsse eine Gefahrenlage bestehen, „die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung hochwertiger Rechtsgüter erheblich übersteigt“. Vorbeugende Verkehrsbeschränkungen nur „weil etwas passieren könnte“ seien eindeutig unzulässig. Nach Aussage der VG-Verwaltung, so Bernd Labonte in seinem Bericht, sei außerdem ein Fußgängerüberweg in einem Tempo-30-Bereich „nicht zulässig“. Labonte warnte mit Blick auf entsprechende Erwartungen, dass „man durch überzogene Forderungen möglicherweise sogar eine Verschlechterung der derzeitigen Situation riskiert“.

Auch Lambert Stahlhofen weiß, dass nach den Vorschriften der StVO und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften sowie den Richtlinien über die Anlage von Fußgängerüberwegen ein FGÜ in Tempo-30-Zonen „in der Regel entbehrlich ist“. Es gebe aber durchaus Ausnahmen. Verkehrsexperten, so Stahlhofen, verträten die Auffassung, dass zur Sicherung von Schulwegen solche FGÜ, die vor der Einrichtung einer Tempo-30-Verkehrsbeschränkung existierten, Bestandsschutz hätten.

Darüber hinaus, so Stahlhofen, sei die VG im Zusammenhang mit der Anordnung von Tempo 30 im Bereich des FGÜ „nicht an die Stellungnahmen des Landesbetriebes Mobilität und der Polizei gebunden“. Sie habe die Möglichkeit, sich über deren negative Stellungnahmen hinwegzusetzen. Er erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass der neue VG-Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich in seiner Antrittsrede betont habe, dass er die Entwicklung der Ortsgemeinden fördern und unterstützen wolle.

Stahlhofen weist außerdem darauf hin, dass durch die Novelle der StVO von 2016 die bislang im geltenden Recht verankerte hohe Hürde für eine Anordnung von Tempo 30 im Bereich innerörtlicher Hauptverkehrsstraßen für bestimmte sensible Bereiche wie etwa auf Wegen zu Schule oder Kindergarten abgesenkt worden sei. Wenn die zuständige Straßenverkehrsbehörde, in diesem Fall ebenfalls die VG Montabaur, eine Tempo-30-Zone in der Ortsmitte von Welschneudorf deshalb ablehne, weil Kindergarten und Schule nicht unmittelbar an der L 327 lägen, so sei dies „bürokratisch überzogen und unmenschlich“ so Stahlhofen. 

Tempo 30 zwischen der Einmündung der Neustraße und der Einmündung Schulstraße mache diesen Verkehrsbereich durch bessere Gefahrenwahrnehmung und kürzere Haltewege der Fahrzeuge nicht nur sicherer, sondern reduziere auch den Lärmpegel, ist der Beigeordnete überzeugt. Dadurch würden „Wohnwert wie auch Einkaufswert verbessert“. Wenn es für die Festlegung von Tempo-30-Zonen auf allen übrigen Gemeindestraßen gute Gründe gebe, die auch der Ortsbürgermeister im Wochenblatt ausführlich erläutert habe, dann gelte dies erst recht für die viel stärker befahrene Ortsdurchfahrt der L 327, argumentiert Lambert Stahlhofen.

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