„Unsere Gemeinde hat jede Menge Potenzial“

Nachdem Günther Perlick im April aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Ortsbürgermeister niedergelegt hat, wählen die Bürger der Gemeinde Welschneudorf nun am kommenden Sonntag in direkter Wahl seinen Nachfolger. Einziger Kandidat ist Ralf Heibel (RH), 53 Jahre alt, von Beruf Polizist und selbst seit der Kommunalwahl 2019 Mitglied des Ortsgemeinderates Welschneudorf. „Wir in Welschneudorf“ (WiW) sprach mit dem Kandidaten über seine Ziele und Vorstellungen.

WiW: Sie treten als Kandidat der im Gemeinderat vertretenen Liste Schuster an. Was war dafür ausschlaggebend: Ihr persönliches Interesse oder die Bitte aus den Reihen des Rates?

RH: Die Initiative ging von mir selbst aus. Ich habe dem Gemeinderat mitgeteilt, dass ich mich gerne aufstellen lassen würde. Die Reaktionen darauf waren durchweg positiv, was mich in meiner Entscheidung noch einmal bestärkt hat. Ich war mit dem bisherigen Verhältnis zwischen Rat und Ortsbürgermeister nicht sehr glücklich. Ich hatte mir etwas anderes vorgestellt und auch mehr erhofft. Nach dem Rücktritt von Günther Perlick habe ich auch für mich die Möglichkeit gesehen, mehr zu bewegen, wenn ich genug Mitstreiter habe.

Hintergrund dafür, dass ich als Listenkandidat antrete, ist die Tatsache, dass dies unter den zwei sich bietenden Möglichkeiten die einfachere war, da ich sonst zusätzlich eine Unterschriftenaktion hätte starten müssen.

WiW: Als Polizist im Schichtdienst sind Sie in einem verantwortungsvollen und sicher auch zeitraubenden Beruf tätig. Gleichzeitig sind die Aufgaben eines Ortsbürgermeisters heutzutage nicht bloß ein Freizeitvergnügen. Ist dies nicht eine enorme Herausforderung an Sie selbst und fühlen Sie sich dieser Herausforderung gewachsen?

RH: Das wird die Erfahrung zeigen. Ich habe natürlich auch mit Berufskollegen gesprochen, die selbst Ortsbürgermeister in ähnlich großen Gemeinden sind und die das auch bewältigt haben. Was ich auf keinen Fall tun werde, ist ein Vermischen von beruflichen Angelegenheiten mit dem Dienst als Ortsbürgermeister. Ich bin mit Leib und Seele Polizist, daran wird sich auch nichts ändern.
Der Schichtdienst bietet durchaus auch Vorteile, denn ich kann mich zwischendurch auch tagsüber um die Angelegenheiten der Gemeinde kümmern. Das einzige Problem ist die regelmäßige Sprechstunde des Ortsbürgermeisters. Als Dienstgruppenleiter kann ich nicht jedes Mal Sonderurlaub für die Bürgersprechstunde in Anspruch nehmen. Da muss ich mir noch Gedanken machen, wie ich das anders regeln kann, z.B. über entsprechende Vorankündigung wechselnder Sprechzeiten im Wochenblatt.

WiW: Es gab in der Vergangenheit gelegentlich auch Kritik, dass der Gemeinderat – abgesehen von seinen öffentlichen Sitzungen – zu wenig Kontakt zur Bevölkerung gesucht habe. Wie stellen Sie sich für Ihre Amtszeit den Dialog mit den Bürgern vor?

RH: Wir sind ja inzwischen in der Lage, uns mit Hilfe neuer Medien besser präsentieren zu können, insbesondere über das Internet. Meine Vorstellung wäre, dass wir mit einer gemeindeeigenen Internetseite zeigen können, was Rat und Ortsbürgermeister überhaupt machen. Mit dem von mir schon in meinem Flyer erwähnten Internetauftritt könnten wir zeitnah über Projekte informieren, die angegangen werden sollen.

Darüber hinaus will ich gezielt zu Gesprächen einladen, zum einen unsere Gastronomen, die Geschäftsinhaber und auch Ärzte, um etwa zu klären, was können wir als Gemeinde tun, damit diese Betriebe und Dienstleistungen noch möglichst lange erhalten bleiben. Wie können wir einen Rahmen gestalten, der den Geschäftsleuten und Dienstleistern hilft.

Ein Beispiel ist etwa die Parksituation in der Arzbacher Straße. Darüber gab es immer wieder Beschwerden, und bisher haben wir keine Lösung und es wurde in der Vergangenheit auch nicht wirklich danach gesucht.

Ebenso möchte ich Leute – auch Jugendliche – ansprechen mit dem Ziel, z.B. bestimmte Verschönerungsarbeiten in der Gemeinde gemeinsam anzugehen. Das ist für mich auch eine Möglichkeit zu erfahren, wo es bei dem einen oder anderen klemmt.

WiW: Sie sprechen in Ihrem Vorstellungs-Flyer mit Blick auf die jüngste Flutkatastrophe im Ahrtal besonders auch den Hochwasserschutz an. Bei diesem Thema spielt neben dem Klimawandel auch die Frage der Flächenversiegelung eine bedeutende Rolle. Nun hat der Gemeinderat kürzlich grünes Licht für den ersten Abschnitt eines weiteren Baugebiets auf der grünen Wiese gegeben, durch das neue Flächen versiegelt werden. Es ist sogar ein zweiter Bauabschnitt zur Erweiterung angedacht. Wie wollen Sie Hochwasserschutz und weitere Flächenversiegelung in diesem Zusammenhang unter einen Hut bringen? Wäre es hier nicht vernünftig zu sagen: Wir verzichten vorerst auf einen zweiten Bauabschnitt, bis alle Voraussetzungen für einen wirksamen Hochwasserschutz geklärt sind?

RH: Hier spielt das Rückhaltesystem für Regen- und Oberflächenwasser eine wichtige Rolle. Es müsste davon ja für jeden Bauabschnitt eins gebaut werden. Das widerstrebt eigentlich meinen Vorstellungen. Die Finanzierung von zwei Rückhaltebecken ist schwierig, denn die Kosten dafür können nicht auf die Erschließungskosten umgelegt werden.

Meine Idee dazu – die allerdings erst einmal auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden müsste – wäre, eine Einleitung von Oberflächen- und Regenwasser in den Stelzenbach unterhalb des Forellenhofs zu prüfen. Dort gäbe es rechts von der Brücke über den Bach vielleicht die Möglichkeit, ein großes natürliches Rückhaltereservoir zu schaffen, das außerdem für die Rückhaltung von Oberflächenwasser aus den Entwässerungsgräben am Wald oberhalb der Gemeinde genutzt werden könnte.

Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass es im Bebauungsplan auch Vorgaben für die Regenwasser-Rückhaltung auf den einzelnen Grundstücken geben wird.

WiW: Welschneudorf verfügt, wie Sie selbst auch in Ihrer Vorstellung aufzeigen, über eine gute gewerbliche und öffentliche Infrastruktur. Mit welchen Ideen/Maßnahmen können die Ortsgemeinde und auch andere kommunale oder überregionale öffentliche Einrichtungen dazu beitragen, diese Infrastruktur wie beispielsweise die Einzelhandelsgeschäfte, ärztliche Praxen, sonstige Gewerbebetriebe sowie Schule und Kindergarten in ihrem Bestand zu sichern und kann der Bestandsschutz im Einzelhandelsbereich – wie in der Vergangenheit hin und wieder betont – nur eine „Privatsache“ sein?

RH: Die Aussage, das sei Privatsache, hält sich noch, ist aber nicht meine persönliche Einstellung. Dafür ist das eigentlich für die Gemeinde zu wichtig. Es ist allerdings nicht ganz so einfach. Wenn zum Beispiel Christoph Best sein Geschäft auf privatem Weg verkaufen und an jemand anderen übergeben würde, der dann nach einem halben Jahr wegen mangelnder Rendite wieder zumacht, sind wir als Gemeinde außen vor.

Alternativ könnte die Gemeinde das Gebäude kaufen und dann vermieten. Wenn dann der Vermieter nach einer bestimmten Zeit sagen würde: Ich mache das nicht weiter, dann könnte man sich etwas anderes überlegen. Das würde allerdings bedeuten, dass die Gemeinde investieren müsste, wobei durch die Miete natürlich ein gewisser Teil wieder zurück fließt. Dafür müssen wir ein Konzept finden, das sich trägt, ohne die Haushaltskasse zu sehr zu belasten, wir brauchen jemand, der den Laden im Rahmen eines solchen Konzeptes weiterführt und wir benötigen dafür eine Mehrheit im Rat und auch in der Bevölkerung. Sollte ich gewählt werden, werde ich mit Sicherheit mit den betreffenden Leuten Gespräche führen, um herauszufinden, ob es irgendwo hakt und wie wir helfen können.

WiW: Die Einnahmesituation der Ortsgemeinde ist durch die Auswirkungen von Klimawandel und damit einhergehender Trockenheit sowie Schädlingsbefall auf die gemeindliche Forstwirtschaft deutlich schwieriger geworden. Sie setzen nun unter anderem auf den Tourismus als eine mögliche Einnahmequelle für die Ortsgemeinde. Denken Sie dabei an so etwas wie eine Kurtaxe?

RH: Ich habe tatsächlich schon mal an eine Kurtaxe gedacht, kenne mich aber mit den rechtlichen Grundlagen für eine Umsetzung zu wenig aus. Wenn dies möglich wäre, dann wäre das eine super Sache.

WiW: Als zweiten Punkt nennen Sie Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden. Gibt es dazu schon irgendwelche Vorstellungen im Rat oder von Ihnen selbst?

RH: Der Rat hat sich damit noch nicht beschäftigt. Ich selbst hätte dazu erst einmal gerne die Zustimmung des Rates, entsprechende Informationen zu beschaffen. Wir haben hier ja auch die Möglichkeit, einen so genannten Zukunfts- und Energieausschuss zu bilden. Wenn also der eine oder andere sich gerne daran beteiligen möchte: Herzlich gerne. Hilfe können wir auch vom Land erwarten, das zur Unterstützung der Kommunen eine Stelle beim Innenministerium eingerichtet hat.

Auch das Umweltministerium gibt z.B. Informationen darüber, welche Dachflächen für die Anlage von Solaranlagen geeignet sind. Wenn wir über entsprechende Grundlagen verfügen, lautet zunächst die Frage: Wie stellen wir uns auf? Will die Gemeinde selbst Solaranlagen kaufen, muss sie europaweit ausschreiben. Ich würde aber gerne von vorneherein auf regionale Anbieter zurückgreifen. Das können wir möglicherweise dann tun, wenn die Gemeinde selbst hier unternehmerisch tätig wird.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass sich Bürger aus der Gemeinde an einem solchen Projekt beteiligen. Schließlich könnte die Gemeinde auch geeignete Dachflächen zum Beispiel von privaten Unternehmen pachten. Das alles müssen wir also erst einmal klären, bevor wir weitere Schritte unternehmen. Ich bin hier für alle Ideen offen und denke, dass sich entsprechende Vorhaben und Investitionen künftig sicher lohnen werden.

WiW: Sie heben in Ihrem Flyer auch Ihr Interesse an Umwelt- und Klimaschutz hervor, sprechen sich aber gegen Wind- und Solarparks aus. Andererseits warnen Wissenschaftler – wie jüngst z.B. das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung – davor, dass die bisher vorgesehenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen. Wie kann Klimaneutralität im vorgegebenen Zeitrahmen erreicht werden, wenn nicht alle Möglichkeiten wie z.B. auch Solarparks und Windkraftanlagen genutzt werden?

RH: Man kann durchaus über solche Anlagen nachdenken. Meine Priorität liegt zunächst aber darin, auf den durch Bebauung sowieso schon versiegelten Flächen Energie zu gewinnen.

WiW: Sie sprechen in Ihrem Flyer auch ein stärkeres Miteinander in der Ortsgemeinde an. Es gibt zwar eine Reihe von Vereinen und Initiativen, eine qualitativ und quantitativ bessere Zusammenarbeit etwa in einem Vereinsring ist aber denkbar. Wie wollen Sie das Engagement der Bürger für ihre Mitmenschen und für die Gemeinde sowie die Zusammenarbeit unter den ehrenamtlichen Organisationen in der Gemeinde fördern?

RH: Ein Vereinsring wäre sicher eine Möglichkeit, das hängt dann aber auch vom Willen der Vereine ab. Dazu müssen wir die Vertreter der Vereine persönlich ansprechen und an einen Tisch kriegen.

Auch das Thema „Angebote für Jugendliche“ sollte stärker in den Vordergrund gerückt werden. Hier geschieht recht wenig, weshalb zahlreiche junge Leute auch kaum einen Bezug zur Dorfgemeinschaft haben. Natürlich gehen viele berufsbedingt von hier weg, sie sollten sich aber durchaus hier verwurzelt fühlen.

Ich möchte ein Beispiel aus Oberelbert nennen: Hier wurde auf Initiative junger Leute ein Fahrradparcours angelegt. Dazu braucht es das Interesse vieler, nicht nur Einzelner. So etwas kann man nicht alleine stemmen, das möchte ich auch nicht, denn da rennt man schnell mal gegen die Wand. Solche Projekte möchte ich dann auch gemeinsam mit dem Rat machen, der auch immer darüber informiert sein soll, was ich vorhabe, auch über mögliche Treffen mit Bürgern.

WiW: Wären mehr Bürgerversammlungen geeignet, um besser und intensiver mit den Einwohnern der Gemeinde ins Gespräch zu kommen?

RH: Bei Projekten, wie ich sie angesprochen habe, sind Bürgerversammlungen ein absolutes Muss. So können wir beispielsweise nicht über Solaranlagen reden und die Bürger müssen sich übers Internet darüber informieren. Konzepte müssen vorgestellt und die Vorstellungen der Einwohner abgefragt werden. Wir müssen die Bürger zusammenbringen, und das schaffen wir nicht, wenn Gemeinderat und Bürgermeister Alleingänge machen.

WiW: Es gab im vergangenen Jahr ein Moderationsprojekt mit Bürgerbeteiligung zum Thema „Dorfmittelpunkt“, bei dem es um die Neugestaltung im und um das Rathaus ging. Hier gab es eine rege Beteiligung von Bürgern verschiedenen Alters mit interessanten Vorschlägen. Wie steht es um dieses Vorhaben?

RH: Leider hätte dieses Projekt unseren Haushalt gesprengt, wir hätten das deshalb so auch nicht genehmigt bekommen. Deshalb mussten wir das erst einmal auf Eis legen. Ich denke aber, dass das Vorhaben grundsätzlich noch eine Chance hat. Dabei geht es aber darum, dass wir durch die Umgestaltung auch wirklich einen weitergehenden Nutzen für alle erreichen.

WiW: Wenn Sie als Bürgermeister gewählt werden, was erwarten sie selbst denn von den Bürgern?

RH: Ich hoffe, dass die Bürger mir sachlich sagen, was sie denken, wo es klemmt oder wie man etwas gerne hätte. Ich weiß von anderen, dass sie übelst beschimpft wurden, wenn andere mit bestimmten Dingen nicht einverstanden waren. Man muss nicht unbedingt meiner Meinung sein, aber man kann immer sachbezogen mit mir reden. Die Bürger sollten mir auch vor einer Entscheidung ihre Ideen oder Bedenken sagen und nicht hinterher jammern. Wir können offen über alles reden, denn unsere Gemeinde hat jede Menge Potenzial.

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